Wie am Ende Christian Keller plötzlich in einem anderen Beruf und eine handvoll Ligen höher spielt

 

Na denn. Einst hatte die Sibylle von Cumae Roms König Tarquinius neun Bücher Prophezeiungen angeboten. Zu teuer. Da verbrannte sie drei und offerierte die verbliebenen sechs zum selben Preis. Zu teuer. Also warens nur noch drei. Die erwarb der weise König dann. Zum Preis der neun. — Aber das war früher & heut ist es anders. Das nennt man Fortschritt. Hier wirds, solang nur alles zu teuer ist, im Abstand halber Jahre stets mehr geben. Und wenn versehentlich einmal nicht, bitte ein mahnendes Wort an : christian.keller@hinter-buechern.de 

 

La Vie Littéraire

Donnerstag, vier Uhr, wir traten aus dem Institut, eine heitere Frühlingssonne leuchtete über den Quais und ihrem edlen Horizont aus Stein. Einige Wolken, die am Himmel strömten, waren im Licht des Tages von der reizenden Flüchtigkeit eines Lächelns. Dies Lächeln stand freudig still über den funkelnden Hüten, den goldenen Nacken und hellen Gesichtern der Frauen. Aber es wurde spöttisch, als es über die staubigen Bücher zog, ausgestellt entlang der Brüstungen. Oh ! wie es ironisch die elende Veraltetheit der Schmöker offenbarte, dies Lächeln, in dem die ewige Jugend der Natur glänzte ! ... ich gehe niemals an diese Quais, ohne eine Trübung zu erfahren, voller Freude und Traurigkeit, weil ich dort geboren wurde, ich dort meine Kindheit verlebte und die vertrauten Figuren, die ich damals dort sah, nunmehr für immer vergangen sind ... Ich bin auf diesem Quai, mitten unter Büchern, großgezogen worden von demütigen und schlichten Menschen, an die Erinnerung zu haben es allein an mir ist. Wenn ich nicht mehr bin, wird es sein, als wären sie nie gewesen. Meine Seele ist von ihren Reliquien ganz erfüllt. Diese heiligen Überreste, durch die sie geheiligt wird, wirken Wunder. Unter diesem Zeichen bekenne ich, daß sie, die ich verloren habe, Heilige waren. Ihr Leben war dunkel, ihre Seele kindlich ... Ein einziger der alten Zeugen meiner Kindheit führt auf dem Quai immer noch sein armes Leben. Er war mir weder der Vertrauteste noch der Liebste. Dennoch sehe ich ihn immer mit Freude wieder. Es ist der arme Bouquinist, der hier sich vor seinen Kästen in der klaren Frühlingssonne wärmt. Im Alter ist er ganz klein geworden. Jedes Jahr wird er weniger und auch seine ärmliche Auslage erweist sich jedes Jahr schmaler und geringer. Wenn der Tod einige Zeit noch meinen alten Freund vergißt, wird ihn eines Tages ein Windstoß fortnehmen mit den letzten Blättern seiner Schmöker und den Haferkörnern, die die Stationspferde, die an seiner Seite weiden, aus ihrem grauen Futterbeutel entkommen lassen. Jedenfalls ist er beinah glücklich. Wenn er arm ist, ist er das, ohne daran zu denken. Er verkauft seine Bücher nicht, aber er liest sie. Er ist Künstler und Philosoph.

Anatole France